Dorfkirche Retschow

Der gotische Backsteinbau auf einem Granitsteinfundament wird von einfach getreppten Strebepfeilern gestützt. Die einschiffige Hallenkirche mit drei Jochen und einem schiffsbreiten Chorschluss aus dem Achteck wurde wohl im 14. Jahrhundert errichtet, aber bereits 1233 wurde ein Kirchbau in Retschow urkundlich belegt. In den drei Chorseiten sitzen in große spitzbogige Leibungen gefasste, dreibahnig gestaffelte Fenster. Die Dächer der Nord- und Südsakristei sind unmittelbar aus der Traufe des Kirchenschiffs weit heruntergezogen. Das Stufenportal auf der Südseite sitzt in einer rechteckigen Blendnische, ein ebensolches Portal auf der Nordseite wurde zugesetzt.
Der Westturm aus Holz wurde 1653 errichtet, er verdeckt die ursprüngliche, mit Blenden geschmückte Westfassade. Im Turm hängt eine Glocke aus dem Jahr 1443.
Schiff und Chor sind kreuzrippengewölbt.
In den Altarraumwänden befinden sich auffällige (Sitz?-)Nischen.
Der zweimal wandelbare Schnitzaltar aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts (1480) wurde der Gottesmutter Maria gewidmet.
Die Festtagsseite zeigt im Mittelschrein die Krönung Mariens, flankiert zur Linken u.a. von den hl. Christophorus, hl. Dorothea, hl. Georg, hl. Gertrud, der hl. Kümmernis als Gekreuzigte, zur Rechten u.a. von den hl. Katharina, hl. Laurentius, hl. Antonius. Auf den Außenflügeln stehen je sechs Apostel, links u.a. Petrus u. Simon, rechts Paulus, Andreas, Johannes u. Jakobus d. Ältere.
Auf der ersten Wandlung sind acht Szenen der Passionsgeschichte, von Abendmahl bis Kreuznagelung, zu sehen. Auf der zweiten Wandlung, den geschlossenen Flügeln und der Rückwand, sind (von links) die Gregormesse, die Heilige Sippe (Anna lehrt ihre Töchter), die Sakramentsmühle (eine von nur vier Darstellungen in MV), und die Verkündigung Mariens dargestellt.
Unter den sogenannten Mühlenaltäre wird eine Gruppe spätmittelalterlicher Altarbilder zusammengefasst, auf denen in allegorischer Weise die Menschwerdung Christi und sein Erlösungswerk im Sakrament der Eucharistie dargestellt wird: das Wort Gottes (von vier Evangelisten mit ihren Symbolen) wird als Korn in die Mühle gegeben, das reine Mehl wird symbolhaft von den vier Kirchenvätern (Gregor, Hieronymus, Augustinus, Ambrosius) im großen Kelch aufgefangen und im Kelch erscheint Christus als Kind.
Die Darstellung des Textes aus dem Johannesevangelium: "in principio erat verbum - et verbum caro factum est" (Im Anfang war das Wort - und das Wort ist Fleisch geworden) ist die Kernaussage aller Andachtsbilder mit der "Eucharistischen Mühle".
Neben den "Hand-Mühlen" in Retschow (um 1480), im Doberaner Münster (um 1420) und im Zisterzienser-Kloster "Zum Heiligen Kreuz" in Rostock (um 1450) gibt es in der Stadtkirche zu Tribsees die größte, eine geschnitzte Darstellung einer Wassermühle (um 1440 vermutlich unter dem Einfluss der Zisterzienser im Kloster Neuenkamp enstanden).
Zur weiteren Ausstattung gehört eine Renaissance-Kanzel von 1586 mit gemalten Evangelisten-Darstellungen in den Korbwangen.
Die Ausmalung der Kirche stammt aus der Zeit um 1400. An allen Wänden sind mittelalterliche Fresken zu sehen, die jedoch leider bei der Restaurierung am Ende des 19. Jahrhunderts stark übermalt und ergänzt wurden. Zumeist sind Heilige dargestellt, wie z.B. wieder Laurentius, Georg, Katharina, Martin u.a., aber auch Apostel in Kreisen (Weihekreuze?) z.B. Paulus, Andreas, Petrus. An der Südseite sind wichtige Szenen aus dem Marienleben dargestellt: Christi Geburt, Darstellung im Tempel, zwölfjährige Jesus im Tempel, Tod, Aufnahme in den Himmel und Krönung von Maria. An der Nordseite befindet sich die Darstellung des Jüngsten Gerichts mit dem Heiland als Weltenrichter auf seinem Stuhl, ein Engel mit dem Panier des Sieges steht im zur Seite, während Engel und Teufel die zu Richtenden herbeiführen. Über der Empore befinden sich die ältesten Fresken: v.d.Orgel links: Verkündigung, rechts: Adam & Eva.
Die Orgel ist ein Instrument von der Firma Nußbücker aus Plau, sie wurde 1972 gebaut.
Weitere Ausstattungsstücke: Opferstock 1683, Emporengestühl 1759, hölzerne Taufe, ein hölzerner Leuchter als Kriegerdenkmal mit den Namen der Gefallenen des Ersten Weltkrieges, Ornament-Buntglas-Fenster.
Das Kriegerdenkmal des Ersten Weltkrieges steht auf dem kleinen Friedhof gegenüber der Kirche auf der anderen Straßenseite. Im Dorf finden sich weitere Denkmäler, u.a. zu den Befreiungskriegen 1813.
(weitere Quelle: Informationstafel im Denkmalhof)

weiterführende Informationen:

Das malerische Dorf Retschow liegt südlich von Bad Doberan und nördlich von Satow im Landkreis Bad Doberan in Mecklenburg-Vorpommern. 1233 erstmals urkundlich erwähnt, seit 1320 im Besitz des Ritters Heinrich v. Barnekow, der auf der Burg Retschow um 1335 sitzt, am 18. Juni 1358 kamen Hof und Dorf Retschow in den Besitz des Klosters Bad Doberan, 1552, nach der Aufhebung des Klosters, ging Retschow in das Landesherrliche Domanium über. Zum Kirchspiel Retschow gehören heute die Orte Retschow, Fulgenkoppel, Reinshagen, Püschow, Einhusen und Groß Siemen. Die Kirchgemeinde ist vereinigt mit der Kirchgemeinde Steffenshagen. Den Kirchenschlüssel bekommen Sie am Denkmalhof Pentzin in Retschow. Evangelische Kirche Steffenshagen-Retschow Am Kamp 1 18209 Bad Doberan

Quellen:
Dorfkirchen in Mecklenburg, Buch, Horst Ende, Evangelische Verlagsanstalt Berlin, 1975
Meisterwerke des Mittelalters - Leserfrage nach Mühlenaltären, Zeitungsartikel, Johannes Voss, Mecklenburg Magazin der NNN, n.n.
Evangelische Kirche Retschow, Flyer, Evangelische Kirche Steffenshagen-Retschow, k.A.

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