Dorfkirche Wusterhusen

Die Mariengeschichte auf der Wandlung des Flügelaltars

Der spätgotische Schnitzaltar ist das Spätwerk eines unbekannten Künstlers. Er entstand wohl zu Beginn des 16. Jahrhunderts als Auftragswerk von Christoph (1480-?), dem unehelichen Sohn des Pommernherzogs Bogislaw X. (1454-1523), der wohlhabend war und geistliche Ämter bekleidete. Der Marienaltar enthielt im Mittelschrein eine Darstellung der gekrönten Maria (Regina). Die erste Wandlung der Flügel zeigt Tafelbilder mit Szenen aus dem Marienleben unter Verwendung der Motive der Heiligen Sippe - der Verwandschaft Jesu. Während die Evangelien den Stammbaum Jesu ausschließlich auf den seines Ziehvaters Josef beschränken, sind einige Personen der 'Heiligen Sippe' biblisch festzumachen, wie z.B. weitere Geschwister Jesu (Matth. 13,55-56). Andere, so auch die Eltern Mariens, Anna und Joachim, kommen in den apokryphen Schriften und auch in der 'Legenda aurea' des Dominikanermönches und Erzbischofs von Genua Jacobus de Voragine (1228?-1298) vor. Diese 'Goldene Legende' ist eine um 1264 in latainischer Sprache verfasste Sammlung von ursprünglich 182 Traktaten zu Kirchenfesten und Lebensgeschichten Heiliger bzw. Heiligenlegenden. Sie wurde das bekannteste und am weitesten verbreitete religiöse Volksbuch des Mittelalters, das ab 1470 auch gedruckt wurde. In dieser Zeit, unmittelbar nach den großen Pestepidemien, wurde der Zusammenhalt einer Familie hochgeschätzt. So ist es nicht verwunderlich, dass die Heilige Anna, die Mutter Marias und Großmutter Jesu, als Familienpatronin hoch verehrt wurde. Mitte des 15. Jahrhunderts breitete sich in Deutschland der Annenkult aus, auch wurde im Spätmittelalter ein starkes Interesse an genealogischen Konstruktionen erkennbar, um seine Abstammung beweisen und Machtansprüche geltendmachen zu können. Dieses wird wohl der Hauptgrund für die Wahl des Themas auf dem Altarschrein gewesen sein, da der uneheliche Herzogssproß darauf Wert legen musste. Ob sich in den Gesichtern des Joachims (Vater von Maria) und der Anna (Mutter Mariens) die herzöglichen Stifter wiederfinden, ist nicht belegbar. Auffällig sind die sehr wohlhabend ausgestattete Heilige Familie und die Darstellung einer mittelalterlichen Burganlage sowie die zeitgenössischen Kleider. Während die linke Seite sich mit der Annenlegende auseinandersetzt, geht die rechte Seite auf das Marienleben rund um die Geburt Jesu ein. Die vielen Details in den Bildern und der 'rote Faden' zeugen einerseits von einer meisterhaften Arbeit, und diese wiederum lässt einen wohlhabenden Auftraggeber vermuten, andererseits aber auch von einer konservativen Sicht des Künstlers. Die zu Anfang des 16. Jahrhunderts aufkommenden Strömungen der Reformation und der Geist der Renaissance stellte Unstimmigkeiten zwischen Abstammungsrechten und Glaubensgrundsätzen fest und forderten vor allem eine Abschaffung des Heiligenkultes.
Wie lassen sich Geschwister Jesu mit der 'unversehrten Jungfräulichkeit' Mariens vereinbaren?. Das sogenannte Trinubium der heiligen Anna lässt eine Erklärung zu: Nach dem Tode ihres ersten Ehemanns Joachim, heiratete sie ein zweites Mal, den Cleophas, nicht unüblich für damalige jüdische Verhältnisse soll es sich bei ihm um einen Bruder des Josef, dem Ehemann ihrer Tochter Maria handeln. Nach dessen Tod wurde Salomas ihr dritter Ehemann. Aus jeder dieser Verbindungen erwuchs eine Tochter, die alle drei den Namen Maria erhielten. Zur Unterscheidung hatte die Zweite den Beinamen Cleophas und die Dritte Salome, und brachten ihrerseits weitere Kinder zur Welt. Die Heilige Sippe stellt somit keine Nachkommenschaft dar, sondern eine verwandtschaftliche Gemeinschaft, die nahezu zur selben Zeit gelebt haben muss, was auch durchaus in der Bibel erwähnt wird. Dass Jesus als Sonderling seiner Sippe in seiner heimatlichen Umgebung Ablehnung erfuhr, kann ein weiteres Motiv für die Themenwahl des (un)herzoglichen Stifters gewesen sein.
Welche Heiligenfiguren in den Altarflügeln standen ist nicht bekannt. Den geschlossenen Altar schmücken auf den Außenseiten der Flügel oben links die Heilige Katharina von Alexandrien, deren Martyrium durch Rad und Schwert dargestellt wird, unten links der Apostel Petrus mit dem Schlüssel sowie rechts oben die Heilige Barbara von Nikomedien, als eine der Nothelferinnen mit Turm und Kelch, und unten rechts der von Gott berufene Apostel der Mission, der heilige Paulus von Tarsus mit dem Schwert als Zeichen seines unter Kaiser Nero in Rom erlittenen Märtyrertodes .
(weitere Quellen: Wikipedia 2014)
powered by webEdition CMS